Summary: | In der Geschichte des Denkens, die auch eine Geschichte der Polemik ist, sind zwei Orte des Zugangs zur Wirklichkeit, immer wieder gegeneinander ausgespielt worden. "Was hat Athen mit Jerusalem zu tun?" So schon Tertullians abweisende Frage, die Leo Schestow 1937 verstörend wieder aufnimmt, um die "Hure Vernunft" zuschanden werden zu lassen, wofür er Paulus, Plotin, Luther und Kierkegaard als Zeugen nimmt. Oder arbeiten die beiden Städte, die beiden methodoi doch einander zu? Das "und" zwischen Athen und Jerusalem meint die Vernunft als die Brücke, die über sich hinausgreift oder, nach Analysen heutiger Phänomenologie, über sich hinausgerissen wird, denn eben als Vernunft ist ihr das Staunen, thaumazein, vor dem Angeschauten eingeschrieben. Religionsphilosophie stellt die Frage nach einem Selbstüberstieg, in dem das Denken von einem wirklichen und wirkungsvollen Gegenüber herausgefordert wird und nicht einfach selbstbezüglich bleibt. Sofern die gemeinsame Anstrengung des Denkens jenes Gegenüber zulässt, rührt sie freilich an die Grenze des universitär Möglichen. Aber nach Hegel: Das Bewusstsein der Grenze ist ja schon ihr Über-Hinaus.
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