Irrwege marxistischer Ideologiekritik

Während die Popularität der Verwendung des Begriffs "Ideologie" wieder zuzunehmen scheint, ist bereits seit Längerem zu beobachten, dass sich der Ideologiebegriff von seiner Anbindung an das Marxsche Werk gelöst hat. Diese Verselbstständigung ist erklärungsbedürftig, denn der Ideologiebegr...

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Published in:Mythos-Magazin
Main Author: Körner, Patrick (Author)
Format: Electronic Article
Language:German
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Published: Prof. Dr. Peter Tepe, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Germanistisches Seminar 2018
In: Mythos-Magazin
Online Access: Volltext (lizenzpflichtig)
Description
Summary:Während die Popularität der Verwendung des Begriffs "Ideologie" wieder zuzunehmen scheint, ist bereits seit Längerem zu beobachten, dass sich der Ideologiebegriff von seiner Anbindung an das Marxsche Werk gelöst hat. Diese Verselbstständigung ist erklärungsbedürftig, denn der Ideologiebegriff wurde im Wesentlichen durch die Schriften von Marx und Engels und weitergehend durch die von ihnen begründete philosophisch-sozialwissenschaftliche Tradition geprägt. Zudem wirft sie die Frage auf, ob und wie die Relevanz der marxistischen Ideologiekritik wiederbelebt werden kann. Der Beitrag geht davon aus, dass aus einer solchen partiellen Wiederbelebung potentiell fruchtbare Forschungsprogramme resultieren können, insofern sie den Ansprüchen an erklärende, empirische Theorien genügen. Dass die marxistische Ideologiekritik diesen Ansprüchen bisher nicht genügt, wird darauf zurückgeführt, dass sie in zentralen Hinsichten empirische Fragen durch begriffliche Voraussetzungen zu beantworten sucht und auf diese Weise zu einer metaphysischen Theorie degeneriert. Daraus resultiert nicht nur ihre explanatorische Fruchtlosigkeit, sondern auch eine Selbstbeschränkung des politischen Marxismus. Um einige theoretisch-methodologischen Irrwege der marxistischen Ideologiekritik zu identifizieren, die eine mangelnde Anbindung an empirische Ideologieforschung bewirken, wird in einem ersten Schritt der Essentialismus des Ideologiebegriffs kritisiert, der bereits das Problem provoziert, empirische Fragen durch Begriffsdefinitionen beantworten zu wollen. In einem zweiten Schritt wird die marxistische Ideologiekritik als "deterministische Manifestationstheorie" rekonstruiert und gezeigt, inwiefern sie in dieser Rekonstruktion methodologisch unhaltbar ist und nur als hermetische Metaphysik verstanden werden kann. Im Anschluss diskutiert der Beitrag die mitunter kritisch gegen die Ideologiekritik gewendete These, diese müsse bestimmte epistemologische Maßstäbe oder gar Erkenntnisprivilegien voraussetzen - und zeigt, in welchen Fällen die Einführung von Erkenntnisprivilegien bestimmten Typs ebenso notwendig wie fatal ist und weshalb dies ebenfalls ein Problem marxistischer Ideologiekritik darstellt. Eine anschließende Diskussion problematisiert in der marxistischen Ideologiekritik immer wieder in Anspruch genommene funktionale Erklärungen. Nach einem Exkurs zu den selbstwidersprüchlichen und irrationalistischen Konsequenzen der marxistischen Ideologiekritik, wird die systematische Fehlstellung der marxistischen Aufklärungstechnologie diskutiert, die den unempirisch-metaphysischen Charakter der Ideologiekritik in besonderer Deutlichkeit zum Vorschein bringt. Der Beitrag mündet in Empfehlungen zur Wiederbelebung der marxistischen Ideologiekritik in der Gestalt empirischer, sozialwissenschaftlicher Theorien und in der Einsicht, dass die Ansprüche an Ideologiekritik beschränkt werden müssen, um sie überhaupt einlösen zu können.
ISSN:2627-8685
Contains:Enthalten in: Mythos-Magazin