Rationalismus und Mystifikation: Zur formalen Pathetik des Dagegenseins

Der Beitrag stellt die Ergebnisse der Interpretation qualitativer Interviews mit Corona-Kritiker:innen dar. Gefragt wurde nach den Formen der Gesellschaftskritik, die sich in den Interviews manifestieren. Die Analysen zeigen (1), dass die Kritik auf einem rationalistischen Verständnis von Krisenlösu...

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Published in:Zeitschrift für Religion, Gesellschaft und Politik
Authors: Schäfer, Robert (Author) ; Frei, Nadine 1985- (Author)
Format: Electronic Article
Language:German
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Published: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2021
In: Zeitschrift für Religion, Gesellschaft und Politik
Further subjects:B Pathetics
B Rationalism
B Credibility problem
B Pathetik
B Conspirituality
B Criticism
B Glaubwürdigkeitsproblem
Online Access: Volltext (kostenfrei)
Description
Summary:Der Beitrag stellt die Ergebnisse der Interpretation qualitativer Interviews mit Corona-Kritiker:innen dar. Gefragt wurde nach den Formen der Gesellschaftskritik, die sich in den Interviews manifestieren. Die Analysen zeigen (1), dass die Kritik auf einem rationalistischen Verständnis von Krisenlösung beruht. Die Tatsache, dass die Corona-Krise aus dieser Sicht nicht rational bearbeitet wird, wird als Indiz dafür gesehen, dass damit grundsätzlich etwas nicht stimmen kann. Auf dieses Problem reagiert die conspirituality der Kritiker:innen, eine Kombination verschwörungstheoretischer und esoterischer Vorstellungen, deren Einheit im Interesse am Geheimnisvollen gründet. Die Analysen erlauben es, (2) den spezifischen Stil der Maßnahmenkritik als formale Pathetik zu bestimmen: Substanziell bleibt sie relativ leer, wird aber umso leidenschaftlicher vorgetragen. Die rhetorischen Mittel sind dafür das Ziehen möglichst drastischer Vergleiche, die Romantik des heroischen Widerstandskampfs sowie der Anspruch, sich für das Wohl der Kinder zu engagieren. Schließlich wird (3) eine gesellschaftstheoretische Einbettung der Maßnahmenkritik angeboten, die mit Eisenstadt davon ausgeht, dass die moderne Gesellschaft von einer Erosion der Grundlagen aller Gewissheit geprägt ist, was zu einem grundsätzlichen Glaubwürdigkeitsproblem führt, das sich im Verlust des Vertrauens in zentrale gesellschaftliche Institutionen (Politik, Wissenschaft, Medizin, Medien) ausdrückt. In geradezu idealtypischer Weise kommt dies in der Maßnahmenkritik zum Ausdruck.
The article presents the results of the interpretation of qualitative interviews with coronavirus critics. It focuses on the forms of social criticism manifested in the interviews. The analysis (1) shows that the critique is based on a rationalistic ideal of crisis resolution. The fact that the coronavirus crisis, from this point of view, is not dealt with rationally is seen as an indication that there is something fundamentally wrong with it. It is this problem that the conspirituality of the critics reacts to: a combination of conspiracy theory and esoteric ideas whose unity is based on the interest in the mysterious. The analysis (2) allows to determine the specific style of the critique of counter-measures as formal pathetics: Substantially, it remains relatively empty, while rhetorically it is emphasized all the more emphatically. The rhetorical means are the most drastic comparisons possible, the romanticism of the heroic resistance and the claim to be committed to the well-being of children. Finally, (3) we put forward a socio-theoretical embedding of the critique of counter-measures, which assumes with Eisenstadt that modern society is characterized by an erosion of the foundations of all certainty. This leads to a fundamental credibility problem, manifesting itself in the loss of confidence in central social institutions (politics, science, medicine, media). The criticism of counter-measures expresses that in an ideal-typical way.
ISSN:2510-1226
Contains:Enthalten in: Zeitschrift für Religion, Gesellschaft und Politik
Persistent identifiers:DOI: 10.1007/s41682-021-00095-9