Muslim*innen in kommunalpolitischen Spitzenpositionen? Über die Prävalenz gegen muslimische Bürgermeisterkandidat*innen gerichtete Einstellungen in Deutschland und ihre sozial-psychologischen Triebfaktoren

In Deutschland sind Bürgermeister*innen muslimischen Glaubens kein Novum mehr und doch wäre es falsch von einer neuen Normalität zu sprechen. Besonders deutlich wurde dies durch die zurückgezogene Bürgermeisterkandidatur von Sener Sahin in der bayrischen Landgemeinde Wallerstein, die Anfang dieses J...

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Published in:Zeitschrift für Religion, Gesellschaft und Politik
Main Author: Öztürk, Cemal (Author)
Format: Electronic Article
Language:German
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Published: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2021
In: Zeitschrift für Religion, Gesellschaft und Politik
Further subjects:B Participation
B Social psychology
B Hostility towards muslims
B Prejudice
B Vorurteile
B Social Psychology
B Muslimfeindlichkeit
Online Access: Volltext (kostenfrei)
Description
Summary:In Deutschland sind Bürgermeister*innen muslimischen Glaubens kein Novum mehr und doch wäre es falsch von einer neuen Normalität zu sprechen. Besonders deutlich wurde dies durch die zurückgezogene Bürgermeisterkandidatur von Sener Sahin in der bayrischen Landgemeinde Wallerstein, die Anfang dieses Jahres für überregionale Schlagzeilen sorgte. Sein Fall zeigt exemplarisch, dass Muslim*innen in Deutschland immer seltener in ihrer individuellen Vielfalt wahrgenommen werden und dass die gegen Muslim*innen existierenden gruppenbezogenen Vorurteile dem Gleichheitsgebot des deutschen Grundgesetzes zuwiderlaufen. Dieser Aufsatz nimmt die Geschehnisse in Wallerstein zum Anlass, um einen empirisch-analytischen Blick auf die deutsche Gesellschaft zu werfen. Im Fokus steht dabei (a) die Prävalenz gegen muslimische Bürgermeisterkandidat*innen gerichteter Einstellungen und (b) ihre sozial-psychologischen Triebfaktoren. Die Auswertung einer Repräsentativbefragung des ALLBUS (2016) zeigt, dass die pauschale Ablehnung von muslimischen Bürgermeisterkandidat*innen keine Seltenheit in Deutschland ist. Mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung steht muslimischen Bürgermeisterkandidat*innen skeptisch bis ablehnend gegenüber. Diese Negativhaltungen werden von einem ganzen Konglomerat sozial-psychologischer Erklärungsfaktoren begünstigt: Mitglieder freikirchlich-evangelischer Gemeinden, orthodoxe Christen*innen, sowie Befragte mit einem ausgeprägten Nationalstolz (Social-Identity-Hypothese); und insbesondere Bürger*innen, die den Islam und seine Angehörigen als Bedrohung wahrnehmen (Integrated-Threat-Theory-Hypothese), tendieren dazu, den Teilhabeaspirationen von Muslim*innen eine Absage zu erteilen. Besonders häufig findet sich diese Ablehnungshaltung unter Wählergruppen des rechten Parteienspektrums, unter älteren Befragten, in ländlichen Gebieten und an Orten, in denen Muslim*innen eine verschwindend geringe Minderheit darstellen. Vice versa können sich Kontakte mit Menschen mit einem Migrationshintergrund als Antiserum gegen anti-muslimische Vorurteile erweisen (Kontakt-Hypothese).
Mayors of Muslim faith are no longer a novelty in Germany, and yet it would be wrong to talk about a new normality. A particular case in point was the withdrawal of Sener Sahin’s mayoral candidacy in the Bavarian municipality of Wallerstein, which made national headlines this year. His case exemplifies that Muslims are rarely perceived in their individual diversity, and that group-focused enmity against Muslims is in stark contradiction to the equality principle of the German constitution. This article takes the events in Wallerstein as an impulse to provide empirical-analytical insights about anti-Muslim attitudes in German society. Thereby, the focus is on (a) the prevalence of attitudes directed against Muslim mayoral candidates and (b) their social-psychological driving forces. An analysis of a representative survey of the ALLBUS (2016) shows: The rejection of Muslim mayoral candidates is no rarity in Germany. More than half of the German population is skeptical toward Muslim mayoral candidates. A whole conglomeration of social-psychological explanatory factors fosters these attitudes: Members of free-church Protestant denominations, Orthodox Christians, respondents with a strong sense of national pride (Social-Identity Hypothesis); and in particular citizens who perceive Islam and its members as a threat (Integrated-Threat-Theory Hypothesis) tend to reject the participatory aspirations of Muslims. Furthermore, these hostile attitudes are frequently found among voter groups of the right-wing party spectrum, older respondents, in rural areas and in places where Muslims constitute a tiny minority. Vice versa, contacts with immigrants turn out to be an antiserum against anti-Muslim prejudices (Contact hypothesis).
ISSN:2510-1226
Contains:Enthalten in: Zeitschrift für Religion, Gesellschaft und Politik
Persistent identifiers:DOI: 10.1007/s41682-021-00063-3