Die hochmittelalterliche Inquisition: Wurzeln, Bedeutung, Missbräuche

Aus der Einleitung: Bekennt man sich heutzutage zum katholischen Glauben, ist Inquisition – neben Papst – das wohl meistgehörte Schlagwort, das einem von etwaig diskussionsfreudigen und in der Regel protestantischen Gesprächsteilnehmern entgegengeschleudert wird. Insbesondere die Öffnung des Geheim...

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Bibliographic Details
Main Author: Buschbell, Christina 1983- (Author)
Format: Electronic Book
Language:German
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Published: Hamburg Diplom. de [2009]
In:Year: 2009
Series/Journal:Staatsexamensarbeit
Standardized Subjects / Keyword chains:B Inquisition / History 1000-1300
Further subjects:B Thesis
Online Access: Inhaltsbeschreibung
Volltext (lizenzpflichtig)
Description
Summary:Aus der Einleitung: Bekennt man sich heutzutage zum katholischen Glauben, ist Inquisition – neben Papst – das wohl meistgehörte Schlagwort, das einem von etwaig diskussionsfreudigen und in der Regel protestantischen Gesprächsteilnehmern entgegengeschleudert wird. Insbesondere die Öffnung des Geheimarchivs des Vatikans am 22. Januar 1998, das lange Zeit aus Angst und Reue verschlossen blieb, und die damit fortgeführte Aufarbeitung der Vergangenheit, die Papst Johannes Paul II. bereits 1994 begonnen hatte, sowie die Wahl des viel umstrittenen Vorsitzenden der Glaubenskongregation Kardinal Josef Ratzinger im April 2005 zum Papst, haben die sich um die Inquisition rankenden Mythen in den Köpfen vieler Laien neu aufleben lassen. Lässt man sich auf ein Gespräch ein, ist häufig festzustellen, wie unbedacht der Begriff der Inquisition gleichgesetzt wird mit dem der Hexenverfolgung und damit verbunden der Verbrennung hunderttausender vermeintlicher Hexen, grausamen Folterungen und einer überdimensionalen päpstlichen Macht. Denn, so HAMILTON, ‘most people associate the word ‘Inquisition’ either with the Spanish Inquisition or with the Roman Inquisition which tried Galileo. Both these institutions were creations of the early modern period, but they had evolved from the medieval Inquisition, founded by Pope Gregory IX in the thirteenth century’. Dass der Unterschied zwischen diesen verschiedenen Arten der Inquisition jedoch bedeutend ist und unter keinen Umständen außer Acht gelassen werden darf, wird genauso vergessen wie die Tatsache, dass nicht nur Anhänger der römisch- katholischen Kirche, sondern auch Protestanten, insbesondere Luther und Calvin, die Hexenverfolgungen vehement unterstützten. Die Frage nach Zauberern und Hexen trat jedoch erst später auf und soll nicht Hauptaugenmerk dieser Arbeit sein, die sich schwerpunktmäßig mit der hochmittelalterlichen Inquisition beschäftigt. Wie genau wird die Epoche Hochmittelalter jedoch zeitlich und charakteristisch eingegrenzt? Hermann JAKOBS definiert die Zeit zwischen 1046 und 1215 als Hochmittelalter. Nach JAKOBS ist dieses gekennzeichnet von dem Niedergang des Kaisertums auf der einen und dem Aufschwung des Papsttums auf der anderen Seite. Prägend für die lateinische und griechische Christenheit in dieser Zeit ist der gemeinsame Feind Islam, der dem angestrebten Ziel einer Kirchenunion der römischen Reformkirche im Wege steht, aber ebenso die generelle Sicherheit des Kontinents nach außen.Darüber hinaus ändert sich das Zusammenleben im 11. und 12. Jahrhundert durch das Entstehen der Zünfte, des Städte- und Bürgerlebens. Allgemein gute Lebensbedingungen lassen Produktion und Handel blühen, was unter anderem eine starke Bevölkerungsvermehrung zur Folge hat. Herbert GRUNDMANN legt die Grenze zwischen Hoch- und Spätmittelalter bereits ins Jahr 1197. Aus dem hier eingeschlagenen Blickwinkel auf die Ketzerverfolgung ist diese Abgrenzung sicherlich richtig, da zu dieser Zeit ein neuer Abschnitt in diesem Bereich begann. In der vorliegenden Arbeit sollen die Grenzen des Mittelalters – der gängigen Wissenschaft folgend – jedoch etwas großzügiger gewählt und der Blick bis in die späten 50er Jahre des 13. Jahrhunderts gelenkt werden, um einen umfassenderen Überblick über die Entstehung der Inquisition und ihre spätere Etablierung als Institution gewährleisten zu können. Das Hauptinteresse der Arbeit liegt dabei auf der Frage, ob die zahlreichen oben genannten Vorurteile gerechtfertigt sind. Welche Bedeutung kam dem Inquisitionsverfahren ursprünglich zu, wie entstand die kirchliche Ketzerinquisition und inwieweit kam es in diesem Bereich tatsächlich zu Missbräuchen? Um diese zu beantworten, soll die Untersuchung bei den Anfängen des Phänomens Inquisition ansetzen und aufdecken, wo seine Wurzeln liegen. Wichtig ist dabei, dass die Herausbildung des Inquisitionsverfahrens und die Ketzerbekämpfung zunächst unverbunden nebeneinander standen. Für ein angemessenes Verständnis damaliger Entwicklungen ist es darüber hinaus unerlässlich, sich bereits vorab die Differenzen zwischen mittelalterlicher und heutiger Zeit ins Gedächtnis zu rufen. Denn, so PATSCHOVSKY, ‘Glaubensfreiheit als Bürger- und als Menschenrecht ist vom geistigen Horizont wie von den politisch- gesellschaftlichen Rahmenbedingungen her ein Produkt der Neuzeit’. Im Mittelalter hingegen war Glauben, ‘immer gedacht als der rechte Glaube […], nicht in das Belieben des Einzelnen gestellt, weil die Wahrheit der Glaubensinhalte Absolutheitscharakter besaß und weil die Glaubensinhalte selbst das Fundament der gesellschaftlichen Verhaltensnormen bildeten’. So liegt das Augenmerk zunächst auf den Ursprüngen des Ketzerproblems und der Ketzerverfolgung. Von Belang ist in diesem Zusammenhang, inwieweit die Begriffe Ketzer und Häresie synonym gebraucht werden können und ob sich die Bedeutung dieser Termini im Laufe der Zeit verändert hat. Zu untersuchen ist darüber hinaus, wann die Begriffe das erste Mal auftauchen, und ob es Belege für diese Problematik bereits in der Bibel gibt. Folgt man dem Lauf der Geschichte, ist zu erkennen, wie es zu einem Paradigmenwechsel in der Spätantike kommt, so dass die Ketzerei bis zum 11. und 12. Jahrhundert ein zusehends schwerwiegenderes Problem für die Kirche darstellt. Um Motivationen und Lehren der ketzerischen Strömungen deutlich werden zu lassen, soll hier beispielhaft die Gruppierung der Katharer vorgestellt werden, die eine ausgeprägte dualistische und somit – in den Augen der Kirche – häretische Weltsicht vertritt. Im darauf folgenden Kapitel soll der Schwerpunkt zunächst auf dem rein rechtlichen Verfahren der Inquisition liegen. Zu erörtern ist an dieser Stelle die genaue Begriffsbedeutung sowie die Parallelen und Unterschiede in den alten weltlichen bzw. kirchlichen Rechtsordnungen. Darauf basierend kann dann der Grund und die Art und Weise der Entstehung des Inquisitionsverfahrens thematisiert werden. Von großer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang Papst Innozenz III. und dessen Bemühungen um eine Strafrechtsreform. Nachdem in den ersten beiden Kapiteln also die Problematik der Ketzerei und die Entstehung der Inquisition als Strafrechtsverfahren erläutert worden sind, sollen diese beiden Thematiken in einem dritten Kapitel miteinander verknüpft werden. Anhand der Inhalte der Bullen Ad abolendam und Vergentis in senium sowie der Erlasse des 4. Laterankonzils soll hier zunächst die Unabhängigkeit zwischen der Entstehung des inquisitorischen Verfahrens und der parallelen Entwicklung der Ketzerbekämpfungsrichtlinien herausgestellt werden. Erst nach dem 20 Jahre andauernden Albigenserkreuzzug kommt es zu einer Änderung und die Inquisition findet im Prozess gegen Ketzer Anwendung. Es wäre dann zu fragen, wie die Rollenverteilung zwischen Bischöfen, Päpsten und dem weltlichen Arm organisiert ist. Federführend beteiligt an der weiteren Entwicklung sind in diesem historischenAbschnitt die Päpste Gregor IX., der die Dominikaner in die Verfolgung der Häretiker einbezieht, sowie Papst Innonzenz IV., der die Inquisition auf ihrem Weg zur Institution weiter vorantreibt. Inwieweit HAMILTONS Behauptung, Papst Gregor IX. habe die Inquisition erfunden, zutreffend ist, wird in diesem Zusammenhang zu klären sein. In einem letzten Kapitel gilt es dann zu untersuchen, in welcher Form das in Kapitel 3 erläuterte Inquisitionsverfahren in der Ketzerbekämpfung eingesetzt wurde und welche Rolle den neu eingesetzten Inquisitoren dabei zukam. Beispielhaft wird hier näher auf die bedeutenden Inquisitoren Konrad von Marburg und Robert le Bougre sowie deren Wirkungskreise eingegangen. Abschließend sollen einerseits die oben aufgeworfenen Fragen beantwortet werden, wobei hier schwerpunktmäßig die Schwächen des Inquisitionsprozesses herauszuarbeiten und so die Missbräuche zu erklären sind und andererseits in einem Ausblick die weitere Entwicklung der Inquisition vom Spätmittelalter bis heute in groben Zügen skizziert werden. Die Forschungslage zum Thema ist schier unüberschaubar, so dass lediglich versucht werden kann, die in den zugänglichen Sprachen jeweils gängigsten und bedeutensten Werke der Autoren zu den einzelnen Themen hinzuzuziehen, ein Anspruch auf Vollständigkeit kann und soll jedoch nicht erhoben werden. Das umfangreiche, drei Bände umfassende und im Bereich der Inquisitionsforschung als Vorreiter geltende Werk LEAS – Geschichte der Inquisition im Mittelalter – dient als Grundlage, tritt jedoch letztendlich zugunsten neuerer Forschungsliteratur in den Hintergrund.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: 1.Einleitung2 2.Die Entwicklung von Häresie und Ketzerei von den Anfängen des Christentums bis ins Mittelalter6 2.1Bedeutung der Begriffe Häresie und Ketzerei im Wandel der Zeit6 2.2Ketzerei im Neuen Testament - Paulus als Ketzer der ältesten Zeit?9 2.3Das Problem der Ketzerei in der Spätantike und im Frühen Christentum11 2.4Häresien im 11. und 12. Jahrhundert14 2.5Die Frage nach den Motivationen und Lehren der Häretiker am ...
ISBN:3836636107